Für Enthusiasten der Antike offenbart die jüngste wissenschaftliche Forschung mittels antiker DNA-Analyse aufsehenerregende Einblicke in die Migrations- und Interaktionsmuster der Menschen während der Antike. Bislang stützte sich das Verständnis dieser Aspekte hauptsächlich auf archäologische Funde und historische Überlieferungen. Die neuesten Erkenntnisse, gewonnen aus der DNA-Analyse tausender Individuen aus vergangenen Zeitaltern, beleuchten die außerordentliche Diversität innerhalb der Bevölkerungen verschiedener Regionen des Römischen Reiches. Interessanterweise zeigen die Daten, dass mindestens 8 % der untersuchten Personen ursprünglich nicht aus dem Gebiet stammen, in dem sie bestattet wurden. Die Studie, an der Ron Pinhasi von der Universität Wien als Co-Leiter beteiligt war, wurde in dem renommierten Wissenschaftsjournal eLife veröffentlicht.
Die tausendjährige Geschichte des Römischen Reiches zeichnet sich durch eine verstärkte Vernetzung verschiedener Völker aus, getrieben durch Handel, politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie militärische Unternehmungen. Eine internationale Forschungsgruppe, geleitet von Wissenschaftler*innen der Stanford Medicine und Ron Pinhasi, analysierte genetisches Material antiker Skelette, um die Migrations- und Reisemuster in der Blütezeit des Reiches nachzuzeichnen. Die Studie fokussierte sich auf ein Zeitfenster vom Ende der Eisenzeit bis ins Mittelalter und deckte das gesamte Territorium des Römischen Reiches ab, was es ermöglichte, die Bevölkerungsvielfalt verschiedener Regionen miteinander zu vergleichen.
Regionen wie das armenische Hochland zeigten aufgrund ihrer geografischen Isolation eine geringere Diversität, während Orte wie Sardinien, der Balkan und Teile Mittel- und Westeuropas eine hohe genetische Vielfalt aufwiesen. Durch die Analyse von Knochenfunden, deren genetische Abstammung nicht mit dem Fundort übereinstimmte, konnte das Team Muster gemeinsamer Abstammung unter den Menschen identifizieren, die aus anderen Gebieten stammten. Dies deutet darauf hin, dass die Migration und Mobilität der Menschen im Römischen Reich weit verbreitet war.
Die Ausdehnung des Reiches förderte die Mobilität der Menschen über Kontinente hinweg, was durch die Analyse antiker DNA belegt wird. Diese Mobilität ermöglichte es vielen Menschen, innerhalb ihres Lebens große Distanzen zurückzulegen, was sie zu den ersten Menschen in der Geschichte macht, die einen ganzen Kontinent bereisten.
Die Studie basierte auf der Analyse vorhandener DNA-Daten von Tausenden von Skelettfunden sowie auf der Sequenzierung von 204 neuen Genomen aus 53 archäologischen Stätten in 18 Ländern, hauptsächlich aus der Zeit des kaiserlichen Roms und der Spätantike. Die Ergebnisse stellten die Forscher jedoch vor ein Rätsel: Die fortwährende schnelle Bewegung der Menschen hätte theoretisch zu einer Homogenisierung der genetischen Unterschiede führen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Mobilität der Menschen mit dem Niedergang des Römischen Reiches stark abnahm, eine Hypothese, die in zukünftigen Studien weiter untersucht werden soll.